Kohlekommission

Der Abschlussbericht der Kohlekommission ist für viele eine Enttäuschung, die Menschen in den betroffenen Regionen kommen darin kaum vor. Im Gegensatz zu den Wünschen der Lobby- und Interessenverbände ist unser Textvorschlag leider nicht darin aufgenommen worden:

„Grundeinkommen-Modellregion zur Kompensierung der wegfallenden Kaufkraft, Gründerförderung, Einbezug regionaler Akteure und wissenschaftlichen Begleitung für bundesweite Implikationen

Digitalisierung, demografischer Wandel, soziale Ungleichheit und Klimawandel: Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eine der meist-diskutierten sozialpolitischen Ansätze als Antwort auf die Megatrends des 21. Jahrhunderts. Nicht zuletzt erreichte auch die Kommission „Wachstum, Strukturentwicklung und Beschäftigung“ der Vorschlag, den mit dem Braunkohleausstieg verbundenen Strukturwandel durch die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens zu begegnen. Das Grundeinkommen könnte im Rahmen eines Modellversuchs in einer Region bedingungslos – ohne Bedürftigkeitsprüfung, ohne Verpflichtung zur Arbeit oder anderer Gegenleistung – in ausreichender Höhe für Existenz und gesellschaftliche Teilhabe und als individuelle Leistung ohne Prüfung von Bedarfsgemeinschaften ausgezahlt werden. Ein Grundeinkommen könnte somit, z.B. in einer Höhe von 1.000 Euro pro Person, an alle Menschen einer spezifischen Region – also nicht nur an ehemalige Beschäftigte der Braunkohlewirtschaft – zur Verfügung gestellt werden werden.

In der jeweiligen Region könnte das Grundeinkommen dazu beitragen, Strukturbrüche zu vermeiden, indem u.a. die Kaufkraft erhalten bliebe, die durch die den Wegfall der Löhne und Gehälter der direkt und indirekt am Kohleabbau Beschäftigten wegfallen würde. Zusätzlich könnten bisher nicht genutzte Innovationspotenziale genutzt werden, da durch ein sicheres Einkommen Gründungen gefördert würden. Dies könnte besonders dann gut gelingen, wenn in der ausgewählten Region zusätzlich Gründerzentren mit Förderungsmöglichkeiten (u.a. Gründerberatung, Vernetzungsmöglichkeiten usw.) und anderen Wirtschaftsförderungsmaßnahmen, bspw. an örtlichen Hochschulen, umgesetzt werden würden. Dies würde nicht zuletzt den Austausch zwischen Forschung und Praxis fördern sowie Kompetenzzentren ermöglichen, um die regionale Innovationskraft zu stärken. Zusätzlich könnten außeruniversitäre Institutionen gezielt angesiedelt werden, um neue Entwicklungspotenziale freizusetzen, Spillover-Effekte zu erzeugen und ein Alleinstellungsmerkmal für die Region zu schaffen, was sich zusätzlich positiv auf das Regionalmarketing auswirken würde.

Ein Grundeinkommen würde zudem die betroffenen Menschen direkt einbeziehen, ihre Region zu gestalten – ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine gelungene Strukturentwicklung. Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft könnten deshalb im Rahmen einer strategischen Allianz gemeinsam Ziele und konkrete Maßnahmen für die Modellregion erarbeiten. Hierbei eignen sich u.a. Bürgerbeteiligungen in Form von Großgruppenmoderationen oder Crowdsourcing-Initiativen. Ein Grundeinkommen fördert die Bereitschaft, an Bürgerbeteiligungen zu partizipieren sowie die Motivation für notwendige Fort- und Weiterbildungen. Zudem ermöglicht es neue Perspektiven (z.B. hinsichtlich Familienplanung) und befreit die Menschen von Existenzängsten. Dies ermöglicht nicht zuletzt das Freisetzen von vorhandenen sowie das Aufbauen von neuen (regionalen) Stärken, wirkt dem Fachkräftemangel entgegen und schafft Vertrauen sowie neue Identifikation mit und in der Region.

Neben den direkten Effekten des Grundeinkommens für die Menschen und der jeweiligen Modellregion sollte das Ziel einer wissenschaftlichen Begleitung zudem sein, Implikationen für andere Regionen sowie für eine mögliche bundesweite Einführung abzuleiten. Diese könnten sich sowohl über das Bedingungslose Grundeinkommen im Allgemeinen (z.B. Höhe, Auszahlungsmöglichkeiten usw.), sowie dessen Auswirkungen auf Mensch, Wirtschaft und Region beziehen. Um bei der wissenschaftlichen Auswertung aussagekräftige Ergebnisse über die entstehenden zwischenmenschlichen und wirtschaftlichen Effekte ableiten zu können, sollten als Modellregionen klar abgegrenzte Gebiete (Kreise, Gemeinden, Städte) gewählt werden. Dabei wäre sowohl ein Vergleich zwischen einem Ort mit Grundeinkommen und einem ohne möglich als auch zwischen Regionen. Damit auch langfristige Effekte spürbar werden, wäre eine Laufzeit von mindestens 10 Jahren sinnvoll. Eine wissenschaftliche Begleitung zur Planung, Umsetzung und Auswertung kann durch Begleitung regionaler Hochschulen (bspw. Hochschule Zittau/Görlitz) sowie außeruniversitärer Institutionen (bspw. Zukunftslabor Schleswig-Holstein) erfolgen.

Die Einführung des Grundeinkommens in einer vom Kohleausstieg betroffenen Modellregion würde zusätzlich das öffentliche Interesse stärken. Die Region gewinnt an Attraktivität und die Menschen Aufmerksamkeit, um ihre Geschichten erzählen zu können – etwas, das in der klimapolitischen Diskussion oft nicht passiert. Durch die Ergänzung geplanter Wirtschafts- und Strukturfördermaßnahmen sowie Investitionen in die lokale Infrastruktur mit einem Grundeinkommens-Modellprojekt würden nicht nur bisherige Defizite ausgeglichen. Die Regionen könnten sich damit positiv positionieren und innovativ vorangehen – auch als Beispiel für den Rest der Gesellschaft.“