Mit dem Ausstieg aus der Braunkohle soll die Lausitz zu einer „Europäischen Modellregion für den Strukturwandel“ ausgebaut werden. Wichtiger Baustein ist dabei eine verlässliche (finanzielle) Perspektive für die Menschen vor Ort. Bislang wurde in solchen Situationen viel Geld an globale Konzerne gegeben, in der Hoffnung, dass davon irgendwann etwas über Löhne bei der Bevölkerung ankommt (Trickle-Down-Theorie). Statt desse bieten Subventionen direkt an die Menschen die Chance, etwas lokal von unten wachsen zu lassen. Von Investitionen in erneuerbare Energien, lokale Unternehmensgründungen oder stabiler Kaufkraft der Kunden für Handwerk und (soziale) Dienstleistungen – es eröffnen sich viele neue Möglichkeiten. Daher schlagen wir vor, den Strukturwandel mit einem Modellprojekt zum Bedingungslosen Grundeinkommen zu begleiten.
Archiv des Autors: Baukje
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Ansprechpartner für Kontakte aus der Wissenschaft ist Daniel Witte (B.A. Wirtschaftspsychologie). Er lebt in Kassel, schreibt momentan an seiner Masterarbeit zum Thema Crowdsourcing Stakeholder Engagement und setzte sich intensiv mit Themen regionaler Nachhaltigkeitstransformationen auseinander. Berufliche Erfahrungen sammelte er zudem in einer internationalen NGO, einem Forschungsinstitut für nachhaltiges Wirtschaften sowie einer studentischen Unternehmensberatung.
Kontakt: wissenschaft [@] bge-statt-braunkohle.de
Grundeinkommens-Modellregion
Durch den klimapolitisch motivierten Ausstieg aus einer Technologie wie der Braunkohle werden viele hochqualifizierte Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Dies hat einerseits Folgen für die Menschen, die möglicherweise ihre Arbeit verlieren, und andererseits für die gesamte Region, wenn das durch die Braunkohle erwirtschaftete Geld plötzlich fehlt. Hiervon ist dann die gesamte Wirtschaft betroffen, beispielsweise auch der Bäcker von nebenan.
Die Kompensation der Kaufkraft würde dazu beitragen, die Regionen zu stabilisieren und ein (weiteres) Ausbluten zu verhindern. Durch die Ergänzung geplanter Wirtschafts- und Strukturfördermaßnahmen sowie Investitionen in die lokale Infrastruktur mit einem Grundeinkommens-Modellprojekt würden nicht nur bisherige Defizite ausgeglichen. Die Regionen könnten sich damit positiv positionieren und innovativ vorangehen, auch als Beispiel für den Rest der Gesellschaft.
Die 21.032 direkten Beschäftigten bekommen insgesamt ca. 1,5 Milliarden Euro Löhne und Gehälter pro Jahr. Inklusive der indirekten Beschäftigten ist sogar von einer Größenordnung von 4 bis 5 Milliarden Euro pro Jahr auszugehen.
In ausgewählten Gebieten, die stark vom Braunkohleausstieg betroffen sind, könnte ein monatliches Grundeinkommen von 1.000 Euro pro Person an alle, also nicht nur an ehemalige Beschäftigte der Braunkohlewirtschaft, ausgezahlt werden. Wir schlagen vor, dass zwei Gebiete in den Revieren ausgewählt werden. Beispielsweise die Stadt Bautzen in der Lausitz und die Stadt Kerpen im Rheinischen Revier umfassen gemeinsam 104.849 Einwohner, was jährliche Kosten von etwa 1,2 Milliarden Euro bedeuten würde. Damit auch langfristige Effekte spürbar werden, halten wir eine Laufzeit von mindestens 10 Jahren für sinnvoll.
Kurzfristig könnte auch mit einem kleinen Pilotprojekt gestartet werden, beispielsweise mit zwei Dörfern in zwei Regionen mit insgesamt vielleicht 1.000 Einwohnern und Kosten von 12 Millionen Euro pro Jahr.
Die genannten Kosten (Anzahl der Personen x 12.000 pro Jahr) müssen dabei allerdings nicht komplett neu aufgewendet werden. Zahlungen wie ALG 2, Kindergeld oder Bafög würden durch das Grundeinkommen ersetzt, da dies die Existenz und Teilhabe bereits absichert. Persönliche Mehrbedarfe sind davon selbstverständlich nicht betroffen und werden weiterhin gezahlt.
Generell geht es dabei jedoch weniger um die Frage „Können wir so viel Geld aufwenden?“, sondern eher darum, wie es verteilt wird. Schon jetzt fließen deutlich höhere Summen auf unterschiedlichen Wegen in die Braunkohleförderung. Für die schrittweise Abschaltung einiger Reaktorblöcken wurden 2015 bereits 1,6 Milliarden Euro an Zahlungen für die Unternehmen vereinbart, um die Blöcke weiterhin in Reserve zu halten. Zudem sollen noch dieses Jahr 1,5 Milliarden Euro an Strukturhilfe in die Region fließen und weitere Fördermaßnahmen werden noch verhandelt. Gleichzeitig entstehen jährlich fast 30 Milliarden Euro Folgekosten, die die gesamte Gesellschaft zu tragen hat.
Dieses Grundeinkommen, so wie wir es vorschlagen, würde an alle Bewohner der Modellregion bedingungslos ausgezahlt werden, ohne Bedürftigkeitsprüfung, ohne Verpflichtung zur Arbeit oder anderer Gegenleistung, in ausreichender Höhe für Existenz und gesellschaftliche Teilhabe und als individuelle Leistung ohne Prüfung von Bedarfsgemeinschaften. Von einem Bedingungslosen Grundeinkommen unterscheidet es sich dadurch, dass es zunächst ein regional und zeitlich begrenztes Projekt wäre.
Um bei der wissenschaftlichen Auswertung aussagekräftige Ergebnisse über die entstehenden zwischenmenschlichen und wirtschaftlichen Effekte ableiten zu können, sollten als Modellregionen klar abgegrenzte Gebiete (Kreise, Gemeinden, Städte) gewählt werden. Dabei wäre sowohl ein Vergleich zwischen einem Ort mit Grundeinkommen und einem ohne möglich als auch zwischen rheinischem Revier und Lausitz.
BGE statt Braunkohle – Antwort Habeck
Anita Habel fragt Robert Habeck (Bundesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen) auf der Veranstaltung zum Grundeinkommen der Heinrich Böll Stiftung am 20. November 2018 in Dresden, was er davon hält mit Hilfe eines Pilotprojektes zum Grundeinkommen in der Lausitz den Braunkohleausstieg sozialverträglich zu gestalten.
Die Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung gibt es hier: https://youtu.be/ltvHlf4wOtg
Regionale Ansprechpartnerin – Rheinisches Revier
Ansprechpartnerin für das Rheinische Braunkohlerevier ist Marina Martin. Sie lebt in Mönchengladbach und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen. In ihrem Studium der Gesundheitsförderung analysierte sie mögliche Auswirkungen eines BGE auf die Gesundheit der Menschen.
Kontakt: rh.revier [@] bge-statt-braunkohle.de

Grundeinkommen als Vermittler zwischen den Fronten
Ein Grundeinkommen kann als Vermittler dienen zwischen den verhärteten Fronten: Umweltschutz auf der einen Seite und wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Argumente auf der anderen Seite.
Sowohl die Rettung des Hambacher Waldes als auch der Klimaschutz sind wichtige Ziele, die von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung getragen werden. Aber diese Ziele dürfen nicht alleine zu Lasten der Bürger und Arbeitnehmer vor Ort verfolgt werden. Für die Akzeptanz ist eine würdige soziale Absicherung in Zeiten von Umbruch und Strukturwandel erforderlich . Die Kosten dafür müssen gesamtgesellschaftlich übernommen werden.
Auch die Perspektive der Wirtschaftsunternehmen, die mit Energieversorgung und Arbeitsplätzen argumentieren, ist nicht falsch. Wir brauchen sowohl einen guten Plan für eine gesicherte Stromversorgung als auch eine Perspektive für den Wandel im Bereich der Erwerbsarbeit. Die Hoffnung auf Großkonzerne als Retter in der Not hat sich beim Ausstieg aus der Steinkohle nicht bewährt. Ein Grundeinkommen als Subvention direkt an die Menschen kann regionale Wirtschaft stärken und neue Perspektiven eröffnen.
Um all dies unter einen Hut zu bringen, brauchen wir am Ende viel mehr als ein Grundeinkommen. Aber es kann ein Teil der Lösung sein.
Deswegen appellieren wir an die Kohlekommission, die Braunkohlereviere zu Grundeinkommensmodellregionen zu gestalten.
Foto: glasseyes view…up&away via flickr
Regionale Ansprechpartnerin – Lausitz
Regionale Ansprechpartnerin für die Lausitz ist die angehende Kommunikationspsychologin Anita Habel. Sie studiert an der Hochschule Zittau/Görlitz, lebt in Dresden und ist seit langem für das Bedingungslose Grundeinkommen aktiv.
Kontakt: lausitz [@] bge-statt-braunkohle.de
Subventionen für die Menschen
Subventionen dienen üblicherweise der Unterstützung bestimmter Wirtschaftszweige oder Unternehmen. Sie können aber auch als staatliche Transferleistungen direkt an bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgezahlt werden und wirken dann vor allem Kaufkraft stärkend. In einer Region, in der mittelfristig viele bisher gut bezahlte Beschäftigungsverhältnisse wegfallen werden, kann dadurch die regionale Wirtschaft gestützt werden. Die Kaufkraft im Landkreis Görlitz in der Lausitz ist heute schon Schlusslicht im deutschen Bundesdurchschnitt. Subventionen an Unternehmen führen im Zweifelsfall zu höheren Gewinnen, welche dann an Aktionäre aus der ganzen Welt ausgeschüttet werden. Im Gegensatz dazu bleiben direkte Zahlungen an die Menschen vor Ort zum überwiegenden Teil in der Region.
Die meisten Maßnahmen von Wirtschaftsförderungen gehen von einem Trickle-down Effekt aus. Sie beruhen auf der Annahme, dass Wirtschaftswachstum und allgemeiner Wohlstand der Reichen nach und nach durch deren Konsum und Investitionen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickern würden. Doch ob dieser Effekt überhaupt eintritt, ist mehr als fraglich. Zu beobachten ist eher ein Auseinanderdriften der Einkommen und Vermögen, mit entsprechend negativen Folgen für den sozialen Zusammenhalt.
Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist eine direkte Subvention an die Menschen. Es ist Wirtschaftsförderung von unten, unabhängig davon, ob neue Arbeitsplätze geschaffen werden oder nicht.
Grundeinkommen besser als Trickle-down Subventionen
In Zeiten von Strukturwandel mit massivem Abbau von Arbeitsplätzen in einer Region mit relevanter Landflucht und daraus folgender Überalterung der Bevölkerung ist eine gute soziale Absicherung dringend notwendig. Ohne finanzielle Mindestsicherheit ist die Fähigkeit, konstruktiv und kreativ mit dem Wandel umzugehen, deutlich herabgesetzt. Herkömmliche Subventionen werden zwar in Anspruch genommen, die Gewinne landen aber nur zum Teil bei der Bevölkerung vor Ort. Und sobald die Subventionen auslaufen, werden die Unternehmensstandorte oft wieder geschlossen.
Direkte Zahlungen an die Menschen wirken regional oft wesentlich effektiver und zugunsten einer langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung. Das konnte in der Entwicklungshilfe bereits eindrücklich gezeigt werden. Ein Grundeinkommen fördert wahrscheinlich die Gründungs- und Innovationsbereitschaft. Es kann sowohl als Startkapital dienen als auch das Risiko des Scheitern abmildern.
Um einer weiteren Abwanderung und einem langsamen Aussterben der Region entgegen zu wirken, bräuchte es neue Berufsperspektiven und eine besseren Unterstützung von Familien. Ein individuell ausgezahltes Grundeinkommen würde Familien und andere kollektive Lebensformen deutlich fördern im Vergleich zum heutigen System der Bedarfsgemeinschaften. Denn selbst mit Mindestlohn ist es mit vielen Jobs nicht mehr möglich, eine Familie zu ernähren.
Der Rückgang der Landbevölkerung muss gestaltet werden, auch durch individuelle Förderung an Privatleute. Dann kann das Landleben durchaus attraktiv sein, wenn man denn weiß, wie man sein Leben finanziert.
Die Initiatoren der Initiative „BGE statt Braunkohle“
Die Initiatoren der Initiative „BGE statt Braunkohle“:
Dr. Baukje Dobberstein – Ärztin und Mitglied im Netzwerkrat vom Netzwerk Grundeinkommen
Dr. Eva Douma – Sozial- und Verwaltungswissenschaftlerin und Autorin „Sicheres Grundeinkommen für alle – Wunschtraum oder realistische Perspektive?“
Ronald Trzoska – Initiator, Gründer und ehem. Bundesvorsitzender der Partei ‚Bündnis Grundeinkommen‚